Montag, 24. September 2007

schwieriges Terrain...

Manchmal gibt es echt schwierige Patienten. Oft sind es Privatpatienten, die hohe Ansprüche stellen und arrogant oder herablassend wirken können, obwohl man doch auch a priori denken könnte, dass sie die zivilisiertesten von allen sind (sind sie auch oft, finde ich).

In den letzten Tagen hatten wir eine Patientin mit einer chronischen systemischen Erkrankung, die sie ziemlich beeinträchtigt. Bei der Aufnahme, wo sie mir ihr Leid klagte und ihre Lebensgeschichte erzählte, hatte ich noch ziemlich viel Mitleid. Als sie dann bei der Lumbalpunktion schon beim Desinfizieren wie am Spieß schrie, war ich etwas verwundert. Jetzt übers Wochenende hat sie sich mit dem Pflegepersonal und einigen Ärzten angelegt. Als der diensthabende Arzt am Wochenende ihr nicht direkt eine Tablette gegen Kopfschmerzen geben wollte, sondern erst den Totenschein der im Nachbarzimmer gestorbenen Patientin ausfüllte, hat ihr Lebensgefährte ihm dann konsequenterweise mit Schlägen gedroht. Das Theater ging dann heute weiter, als sie sämtlichen irgendwie Beteiligten Lügen vorwarf. Was für eine veränderte Selbstwahrnehmung!

Ich frage mich ernsthaft, ob sowas Kulturkreis-assoziiert ist. Bei Patienten aus dem Norden Europas hab ich sowas noch nie erlebt (wenn es auch sicherlich gelegentlich vorkommen mag). Bei welchen aus dem Nahen Osten, wie eben dieser Patientin schon. Bitte kein Missverständnis! Ich habe absolut keine Vorurteile gegen diese Menschen (siehe Beginn, als sie mir sympathisch war). Aber verletzter Stolz scheint in diesen Kreisen ja wirklich häufiger vorzukommen und dann zu heftigeren Reaktionen zu führen, die dann schwierige Situation hervorrufen. Was meint ihr? (Ganz offen und ohne Vorurteile, einfach nur nach persönlichen Erfahrungen)

6 Kommentare:

麦天 hat gesagt…
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麦天 hat gesagt…

Schon mal den Begriff "Mittelmeersyndrom" gehört? Das betrifft keineswegs nur den Nahen Osten; ich durfte schon miterleben, wie sich ein Italiener unter lautem Lamentieren ("ich habe Schmerzen!" - als ob das im Krankenhaus eine Obszönität wär) selbst entlassen hat, nachdem er 3x (!) gepiekt wurde mit einer rosa Braunüle... Natürlich ging es nicht ohne Diskussionen mit den Angehörigen ab, die sich auch von der Oberärztin nichts sagen lassen wollten.
Ich muss zugeben, dass das auf mich, der ich zähe Albbauern gewohnt mit, schon sehr negativ wirkt. Andererseits gibt es jede Menge kulturell mit-bedingte Syndrome, und da stellen die Mitteleuropäer ganz bestimmt keine Ausnahme dar. Manchmal denke ich auch, - OK, das ist jetzt wieder ein Klischee - dass es in einigen deutschen Familien schon an Wärme fehlt. Dann wird halt kein Schmerz gezeigt, weil man allg. keine Gefühle zeigt. Ist fürs Pflegepersonal natürlich angenehmer... Bitte jetzt nicht lachen, ich weiß, dass das schrecklich nach Ethnoromantik klingt.
Ideal wäre es, wenn man sich bei keiner Bevölkerungsgruppe auf die wahrgenommenen (u. IMHO bei manchen auch tendenziell häufiger vorhandenen) 'Nachteile' konzentriert, sondern jedem eine Chance gibt. Und versucht, die Leute nicht gleich in eine Schublade zu stecken. Wenn sie dann so rumspinnen wie Deine, muss man versuchen, cool zu bleiben und Grenzen zu zeigen - haha, wie pädagogisch...
Aber Unterschiede zwischen den 'Kulturkreisen' - auf jeden Fall! Übrigens sind Männer beim Blutabnehmen ja auch 'pienziger' - zu diesem sexistischen Vorurteil stehe ich!

麦天 hat gesagt…

Ich muss zugeben, dass ich nach kurzem Nachdenken zu dem Schluss gekommen bin, dass die Verwendung eines Wortes wie "Mittelmeersyndrom" auch eine deutliche Neigung zum Kategorisieren verrät. Kleiner Selbstwiderspruch. Solche Worte sollte man nicht verwenden - wenn der Patient das Etikett mal hat, kriegt er es nicht mehr weg. Vor allem die prolligeren unter den Pflegekräften lassen sich ja keine Gelegenheit entgehen, den Patienten zu entwerten.

Der NeuroPJler hat gesagt…

stimmt, morbus mediterranicus ist keine fiktion, sondern generell erhöhtes schmerzempfinden

Der NeuroPJler hat gesagt…

aber besser nicht stigmatisieren, das stimmt

Der NeuroPJler hat gesagt…

da fällt mir ein - die finnen sind anerkanntermaßen die hartgesottensten unter allen! (vielleicht mit den sibirern). dafür kenn ich persönlich vor allem die nordschweden als sehr zurückhaltend...bei denen fehlt mir die wärme. das eine geht wohl hand in hand mit dem anneren.