Dienstag, 19. Februar 2008

Noch ein Foto



Das ist mein Krankenhaus. Weitere Bilder, vielleicht sogar eines Tages eins von Oberschwester Yang, werden folgen - bleib(t) dran!

PS: Heute wurde ich um 6:30 vom zuständigen Arzt geweckt, sonst war die Nacht ruhig, der freie Tag auch. Da es schönes Wetter war und erstmals nicht markdurchdringend kalt, sind wir an der Jangtse-Mündung spazieren gegangen,

wo man alte Männer mit ihren selbstgebauten Drachen beobachten konnte:

Montag, 18. Februar 2008

Der lange Marsch hat begonnen.

Das Leiden hat ein Ende! Nie wieder Blut abnehmen - nie wieder PJ in Deutschland :). Seit einer Woche hat sich mein Status radikal vom Feld-Wald-Wiesen-PJler zum Hochstrassen-U-Bahn-PJler gewandelt. Mein Weg zur Arbeit besteht nicht mehr aus einer Fahrradfahrt durch die lichten Haenge des Odenwalds oder an den gruenen Neckarauen entlang. Neuerdings fuehrt er mich 30KM lang durch ein unueberschaubares Meer von Hochhaeusern, dessen Anblick mich erst loslaesst, wenn die Bahn zur Unterquerung des Huangpu-Flusses ansetzt... Der Kontrast koennte nicht deutlicher sein. Da die Unterschiede zwischen Deutschland und China aber oft genug beschrieben werden (eine Autobahn wird hier in 2 Tagen gebaut, die Trauerfarbe ist weiss, die Speisekarte ist wichtiger als die Zeitung und man duscht abends), konzentriere ich mich auf die Gemeinsamkeiten im medizinischen Bereich:
  1. Oberschwestern sind genauso wild und burschikos wie zu Hause, es ist nicht klar, ob der Chefarzt wirklich Macht ueber sie hat. Als Exot bin ich aber gefeit.
  2. Chirurgen sind hier auch ... Chirurgen; als solche immer zu anzueglichen Bemerkungen und Spekulationen ueber das andere Geschlecht oder ueber Autos aufgelegt, natuerlich in individuell sehr variablem Ausmass. Das strahlt auf die Pflege ab. Bsp: Chef [an zwei Krankenschwestern gewandt]: Das ist der Student aus Deutschland. Er ist 26... [Pause, mehrdeutiger Blick] - KS [laut zur Kollegin]: Zu jung!
  3. Anaesthesisten sind sehr gelassen, moeglicherweise aber noch gelassener als in D, das koennte mit irgendeiner fernoestlichen Philosophie zusammenhaengen.
  4. Die OP-Kontrolleuse ist ungeheuer maechtig und entscheidet darueber, ob der Student in den OP-Trakt gelassen wird (zumindest hatte ich das Gefuehl); sie ist ca 1,55 gross, sehr staemmig und hat grosse, stark geschminkte und leicht vorgewoelbte Augen, an denen niemand vorbeikommt.
  5. Die Laparoskopie-Geraetschaften kommen (u.a.) aus Tuttlingen, das auch hier bekannt ist, da die Firma einem Chefarzt einen laengeren Aufenthalt in den USA finanziert hat. Wenn das mal keine gute Investition war. Schwaben eben!
  6. Die Patienten und ihre Angehoerigen haben keine Hemmungen, sich beim Arzt zu beschweren und folgen diesem regelmaessig in sein Buero, wo sie oft laengere Zeit bleiben. Es muss allerdings angemerkt werden, dass diese Patienten oft fuer hiesige Verhaeltnisse hohe Summen fuer ihre Behandlung bezahlt und eine deutschen Privatpatienten nicht unaehnliche Anspruchshaltung zu haben scheinen.
  7. Chirurgie ist eine schrecklich zeitige Angelegenheit, was durch meine 75minuetige Anreise nicht gerade angenehmer wird. Es gibt mir aber die Gelegenheit, mich zwei Monate lang ein bisschen wie ein Einheimischer zu fuehlen und noch einmal die Nachteile des Grossstadtlebens kennenzulernen. Nach 26 Jahren Feld-Wald-Wiesen-Leben wurde es ja auch Zeit.

Nun der entscheidende Unterschied: Die Studenten sind traurig, weil sie nie Blut abnehmen duerfen - angeblich wuerden das weder Schwestern noch Patienten akzeptieren. Ich gebe zu, ich bin ein bisschen fixiert auf diese eine Taetigkeit, die in meinen Augen die ganze Verfehltheit des deutschen PJs wiederspiegelt. Ach ja, und das Essen kostet 60 Cent und umfasst 5-6 Gerichte nach Wahl. Wer mich kennt, weiss, dass damit mein Hauptkriterium fuer ein erfolgreiches Tertial erfuellt ist. Nun ja, es ist zugegebenermassen unmoeglich, den Ausfuehrungen eines typischen, Shanghai-Dialekt murmelnden Patienten zu folgen - aber hey, das ist Chirurgie! Der gute Patient ist anaesthesiert! Und die erste Appendizitis, die ich von der Ambulanztuer bis zum postoperativen Gute-Nacht-Wuenschen begleiten durfte, inkl. Betasten des noch zuckenden Wurmfortsatzes (nur das Wandern des Schmerzes hab ich verpasst), sprach gluecklicherweise fliessend Englisch, genauso wie einige Professoren und Aerzte. Bei den anderen ist mein Gehoer fuer Tonhoehen bzw. meine Faehigkeit zur Pantomime gefordert. Da man mir aber durchweg sehr aufgeschlossen und freundlich begegnet, ist das alles kein Problem (als ein sehr netter Chefarzt andeutete, dass in Deutschland Auslaender ja allgemein weniger willkommen waeren, wurde mir wieder bewusst, dass wir international wirklich nicht in der 1.Liga der Gastfreundschaft spielen :( - und das hat nichts mit pro/contra Multikulti zu tun). Erstaunlicherweise ist der Glaube an deutsche Eigenschaften wie Fleiss und Puenktlichkeit immer noch vorhanden - aber die Deutschen ausserhalb Deutschlands, die sein Bild in der Welt praegen, waren ja schon immer deutscher als der Rest.

Und deswegen ist heute mein erster freiwilliger Nachtdienst, der allerdings nur aus einem Spaziergang durch Pudong mit naechtlicher Fahrt ueber den Huangpu (aller-retour fuer 10 Cent), Lektuere und Internet besteht. Wenn es etwas zu tun gaebe, muesste es sowieso der zustaendige Arzt erledigen. Dafuer hab ich morgen frei. Man hat mir hier sogar extra ein Klappbett im Buero aufgebaut, der Nachteil ist nur, dass es just an dem Platz steht, von dem aus Prof. Hu morgens um 7:30 seine Ansprache zu halten pflegt. Mal sehen, wer mich wecken wird.

Es bleibt also spannend!