Sonntag, 15. Juni 2008

PJ-Resümee

Zwei Wochen vor dem Ende ein kurzer Rückblick...

Das PJ war für mich nicht nur eine Suche nach der richtigen Facharztausbildung, sondern es sollte mir auch bei der Entscheidung über die Wahl meines Arbeitsorts (CH, D, USA ... China) helfen. Ach ja, lernen wollte ich auch was (siehe Untertitel dieses Blogs) und dabei möglichst wenig ausgebeutet werden.

Mir ist mittlerweile klar geworden, was andere vielleicht schon vorher irgendwo gelesen haben - dass es das Paradies auf Erden nicht (mehr) gibt - nicht in den USA und nicht mal in Kanaan :). Als bildungsferner adipöser Unversicherter oder HIV-Positiver ist Amerika im Vgl. zu Europa (oder gar Kanaan) die Hölle... Das hat mir gestern noch ein fließend dt. sprechender, seit 26 Jahren HIV+ Steward (jaja, das Stereotyp lebt, aber darum geht es nicht, es war ein interessantes Gespräch), der hier ehrenamtlich unversicherte Aidskranke betreut, mit Nachdruck geschildert.
Das heißt aber nicht, dass ich als leptosomer privatversicherter Abiturient nicht planen würde, hier später mal zu arbeiten (obwohl ich die Situation der Dummen in den USA unerträglich finde und hoffe, dass es unter Obama echten "Change" hin zu mehr Solidarität geben wird - anderes Thema). Ich finde wirklich, dass die klin. Ausbildung hier besser ist, da ein Arzt mehr wert ist als in D und das KH mehr zu verlieren hat, wenn ein Assistenarzt Mist baut - und die Oberärzte ihm daher viel mehr helfend/beratend zur Seite stehen müssen. Davon abgesehen machen die Ärzte nur das, was das nichtärztliche Personal, das hier wirklich viel qualifizierter und umfangreicher ist als in D, nicht erledigen kann. Es bleibt also insgesamt weniger am Assistenten hängen, der in D doch oft von unten und oben getreten wird. Abgesehen davon ist die Stimmung allgemein besser als in dt. KH, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das nichtärztl. Personal einen höheren Stellenwert hat und daher seinen fehlenden "RESPEKT!" weniger durch Konfrontation mit per se als arrogant empfundenen Ärzten zu erlangen trachtet... Gut an Amerika ist auch, dass man, ohne auf die Gnade des Chefs angewiesen zu sein (zumindest nicht so sehr wie in D), nach 3 Jahren eine wertvolle Ausbildung hat, nach der man sich keine Sorgen um eine Arbeit zu machen braucht.

Ich habe nur das Ziel, ein guter Internist (nicht Forscher, nicht Chef) zu werden, ohne auf dem Weg dahin in einer dt. Uniklinik unter die Räder zu geraten und vom dt. Steuerstaat übervorteilt zu werden (es geht mir nicht so sehr ums Geld - ich will mit meinen Steuern nur nicht meine weniger selbstständigen Mitbürger zu Tode verwöhnen - das ist für mich das Kernproblem des dt. Sozialstaats - dass es mittlerweile breite Bevölkerungsschichten gibt, die durch Transferzahlungen völlig korrumpiert worden sind und glauben, dass es die Aufgabe des Staates sei, ihnen eine Arbeit zu aus ihrer Sicht akzeptablen Bedingungen zu verschaffen. Dagegen würde ich gerne Steuern für eine bessere Schulbildung unterprivilegierter Kinder zahlen - dann müsste man aber erstmal den Beamtenstatus für Lehrer abschaffen... ich schweife aus - man verdient in Amerika während der Facharztausbildung nicht mehr als in D - es könnte unterm Strich sogar weniger sein, weil man nicht vom Sozialstaat profitieren kann und das Leben außerhalb Kentuckys, dem amerik. Sachsen-Anhalt, auch teurer ist - das große Geld wartet erst danach, und dann will ich eigentlich nicht mehr dort bleiben, sondern weiter westwärts ziehen oder zurück... - mal sehen - so weit kann niemand planen).

Mein PJ ist in dieser Hinsicht (Uniklinik vermieden, trotzdem was gelernt, nicht ausgebeutet worden, um die Welt gereist) jedenfalls als gelungen zu bezeichnen, obwohl ich bei dem Gedanken, in ein paar Monaten Arzt zu sein, gelegentlich ein flaues Gefühl habe...

2 Kommentare:

麦天 hat gesagt…

Da ich noch in Amerika bin, noch 2 Anmerkungen zur Political Correctness:

-Manchmal kann ich es nicht sein lassen, durch Verletzung der PC-Konventionen trotzig-pubertäre Befriedigung zu erzielen, weshalb ich dann z.B. von "Dummen" spreche. Ich weiß, dass das arrogant klingt. Ich hätte nat. von "Unterprivilegierten" sprechen müssen.

-ich hoffe, dass niemand meine Bemerkung zu HIV+ Stewards falsch auffasst. Stereotype haben oft Wurzeln in der Realität und sind per se nichts Schlechtes, sondern wahrscheinlich überlebensnotwendig in einer komplexen Welt - es kommt aber darauf an, genauer hinzusehen und sich nicht mit der Bestätigung der vorgefassten Ansicht zufrieden zu geben. Oder, um mit einem abgewandelten NRA-Slogan zu sprechen: Stereotypes don't kill people, people do!

Was zwar stimmt, aber aus meiner Sicht trotzdem sowohl den erschwerten Zugang zu Waffen als auch die Political Correctness rechtfertigt. Weil viele Leute, nicht nur die "Unterprivilegierten", eben nicht mit Waffen oder Stereotypen umgehen können.

Der NeuroPJler hat gesagt…

ein äußerst positives und differenziertes Fazit zum PJ!
dann sollte ich vielleicht auch einmal drüber nachdenken, was ich gelernt habe...nicht so sehr medizinisch, denn da geht der limes eher gegen null als gegen unendlich. eher zukunftstechnisch. eine woche hab ich ja noch, da das LPA jetzt gnädigerweise mein Australien PJ doch anerkannt hat. Also, ich muss drüber nachdenken. Ist doch schonmal sehr positiv, wenn man wie Du weiß, was man will, und dann auch noch der Weg dahin immer klarer wird.